Klein, aber oho – das Weinland Schweiz

Die Kantone Bern, Graubünden, Schaffhausen, Tessin, Waadt und Wallis waren die Stationen der Weinreise, auf die sich die Weingilde bei ihrem Septembertreffen begab. Als kundiger Reiseführer diente das Vorstandsmitglied Jens Zepp.

Obwohl er sich bei seiner Auswahl weitgehend auf Basisweine beschränkte, machten die dafür aufgerufenen Preise deutlich, dass die Schweiz auch beim Wein keine günstige Einkaufsquelle ist. Beim Verkosten zeigte sich aber auch, dass die Weinqualität oft die gleichwertiger deutscher Weine deutlich übertraf. Das merkte man schon beim ersten Wein, einem Müller-Thurgau aus Schaffhausen, der sehr viel charaktervoller war als die meisten deutschen Müller-Thurgau-Weine. Dieser Wein war zudem der einzige aus einer „echten“ Schweizer Rebsorte: Ihr Züchter Hermann Müller entwickelte die Rebsorte zwar zwischen 1882 und 1890 in Geisenheim, aber er stammte aus dem Kanton Thurgau und brachte Setzlinge 1891 auch dorthin zurück, wo sie angezüchtet wurden. Sein Ziel war eine Rebsorte, die optimal zum Bodenseewetter passte. Sie musste spät blühen, um Fröste im Frühjahr zu überstehen, aber zugleich früh reifen, um vor den Herbstnebeln gelesen werden zu können.

Die Gesamtrebfläche der Schweiz ist etwas kleiner als die des deutschen Anbaugebiets Baden, und die Winzerbetriebe sind fast alle sehr klein und wegen ihrer Steillagen zu viel Handarbeit gezwungen. Angebaut werden Weiß- und Rotweinsorten etwa im Verhältnis 1:1, wobei die Hauptsorten Chasselas (=Gutedel) bzw. Blauburgunder (=Spätburgunder=Pinot Noir) sind. 1988 hatte die Schweiz ihren Weinskandal, als in einer Fernsehsendung aufgedeckt wurde, dass die Winzer in großem Stil ihren Weinen vor dem Vergären Rübensirup zugesetzt hatten, um höhere Alkoholwerte zu erreichen. Das hatte – ähnlich wie der Glykolskandal in Österreich 1985 – eine Bereinigung bei den Winzerbetrieben und eine Qualitätsoffensive zur Folge.

Mit dem Namen der zweiten Rebsorte, einem Heida aus Sion, konnte niemand etwas anfangen. Umso größer war die Überraschung, als Jens Zepp erzählte, dass es sich hier um eine sehr alte Rebsorte handelt, die in den Ahnenreihen vieler heutige gängiger Rebsorten auftaucht. Der offizielle Name der Rebsorte ist Savagnin Blanc. Der Wein erwies sich als kräftig und nachhaltig im Geschmack. Sion gehört zum Wallis mit seinen Steillagen-Weinbergen bis in Höhen von 1100 Metern über dem Meeresspiegel.

Die nächsten zwei Weine präsentierten die Haupt-Weißweinrebsorte, den Chasselas, einmal einen recht alkoholarmen Biowein von der Region am Bielersee und einmal einen Grand Cru aus dem Waadt, der in Holzfässern ausgebaut worden war.

Um das 1:1-Verhältnis von weiß zu rot annährend widerzuspiegeln, gab es nun noch drei Rotweine, einen Pinot Noir, einen Dôle und einen Merlot. Graubünden, die Heimat des Pinot Noir, ist die wärmste Weinbauregion der Deutschschweiz und durch viele kleine Betriebe gekennzeichnet. Der Dôle kam aus der gleichen Kellerei wie der Heida. Bei ihm handelt es sich um eine Cuvée, die auf jeden Fall 85% der beiden Sorten Pinot Noir und Gamay enthalten muss, und zwar im Verhältnis 51:34. Der Name Dôle für diesen Wein ist seit 1959 geschützt.

Zum Schluss ging es noch auf die Südseite der Alpen, ins Tessin. Dort dominiert der Merlot mit rund 83% der Rebfläche. In den Tessiner Alpentälern wird der Wein traditionell an den Hängen angebaut, während die Talböden für die Produktion von Obst und Gemüse genutzt werden. Die Parzellen der Winzer sind sehr klein, weshalb von den 4000 Winzerbetrieben nur 80 Vollerwerbswinzer sind. Dazu kommen 30 Kellereien, die unseren Winzergenossenschaften entsprechen. Der verkostete Merlot war, obwohl als Einstiegswein bezeichnet, zehn Monate im Holz gelegen und konnte so durchaus überzeugen. Jens Zepp hatte wie immer einen genuss- und lehrreichen Abend geboten und durfte sich als kleines Dankeschön eine Flasche der verkosteten Weine aussuchen.

Verkostete Weine

2022Müller-Thurgau Rötiberg
AOC Schaffhausen, Rötiberg-Kellerei AG
2022Heida
AOC du Valais, Charles Bonvin, Sion
2022Johanniter Sélection
AOC Lac de Bienne, Johanniterkeller
2021Mont-sur-Rolle Premier Grand Cru
AOC La Côte,Domaine de Autecour
2022Malans Steinböckler Pinot Noir
AOC Graubünden
2021Dôle de Sion
AOC du Valais Grand Carré, Charles Bonin
2022Terre Alte Rosso Merlot
DOC Ticino, Feliciano Gialdi