Beim November-Gildeabend kamen in die Gläser der Besucher ein Cava, fünf Rotweine und ein Weißwein vom Cellar de Capçanes im spanischen Bergdorf Capçanes, das etwa eine Autostunde von Taragona entfernt auf 600 Meter Höhe liegt und mit 400 Einwohnern wirklich klein ist. Die große Überraschung war aber der koscher erzeugte Wein, der als letzter Rotwein verkostet wurde.
Vorgestellt wurden die Weine dieser Genossenschaft aus 68 katalanischen Familien vom gebürtigen Heidelberger Jürgen Wagner, der während seines Önologiestudiums in Geisenheim 1995 mit einem Erasmus-Stipendium nach Spanien ging und dort hängenblieb. Beim Cava erklärte er, dass im Montsant, einer dem Priorat benachbarten Weinregion, kein Cava erzeugt werden darf, da die Region außerhalb der Cava-Region liegt und zu alkoholreiche Grundweine liefert – die Versektung würde dann zu sehr hohen Alkoholgehalten der Cavas führen. Darum wurde der mitgebrachte Cava in der Ebene erzeugt, und das Knowhow stammt von einem Freund aus der Champagne. Der Cava, eine Cuvée aus Macabeo, Parellada und Xarello, wies eine wunderbar feine Perlage auf, denn er durfte statt der vorgeschriebenen Mindestlagerzeit von 9 Monaten in der Flasche 28 Monate auf der Hefe bleiben, was zu einem super eingebundenen CO2 führt.
Zur Geschichte des Weinanbaus im Montsant erzählte Jürgen viel äußerst Interessantes, von dem nur ein kleiner Teil hier wiedergegeben werden kann. Wer mehr darüber und über den koscheren Wein wissen will, sei auf einen Artikel im Magazin der Süddeutschen Zeitung vom 6.12.2014 verwiesen. Die Tradition des Weinanbaus wurde 1910 durch den Reblausbefall fast ausgelöscht; es folgte eine Zeit der Tankweinerzeugung für Großkellereien und schließlich des Traubenverkaufs an diese Großkellereien. Als dann die Großkellereien Weinberge in den attraktiven Lagen aufkauften, bestand die reale Gefahr, dass die Kleinbetriebe in den Bergen überhaupt nicht mehr mithalten konnten. Da hörte der Präsident der Genossenschaft von einem französischen Weinhändler, dass die jüdische Gemeinde von Barcelona ihn immer wieder frage, ob es nicht auch koscheren Wein aus Spanien gäbe, denn die Gemeindemitglieder seien es satt, ständig Wein in ein Weinland zu importieren. Und so wurde der koschere Wein zur Stunde der Wiedergeburt einer Weinregion, die heute fast ausschließlich nichtkoschere Weine macht. Die koscheren Weine werden in einem abgetrennten Teil des Weinkellers erzeugt, denn sie dürfen während der Produktion nur von strenggläubigen Juden angeschaut oder berührt werden. Zudem sind Düngemittel, zugesetzte Hefen, Enzyme und Bakterien sowie Gelatine verboten. Damit sind diese Weine automatisch Naturweine und vegan.
Doch vor der Begegnung mit dem koscher erzeugten Wein durfte der Einfluss des Bodens auf den Wein studiert werden: Es gab vier Rotweine von 2023 aus der Rebsorte Granacha, doch sie stammten von Sand- (Lagen im Tal), Ton- (Lagen in einem kleinen Hochtal), Kalk- (Lagen an den Hängen) bzw. Schieferböden (Lagen in Richtung Priorat). Diese Böden unterscheiden sich in Merkmalen wie Farbe (Wärmespeicherkapazität), Wasserhaltevermögen und Nährstoffgehalt und wegen ihrer geografischen Unterschiede auch im Wachstum der Trauben. Um nur den Boden als Unterscheidungsmerkmal zu haben, wird jedes Jahr der Tag notiert, an dem die ersten Reben blühen, und im Herbst geschaut, wann deren Trauben den idealen Reifegrad haben. Diese Vegetationszeit wird dann zum Tag des Blühbeginns in den anderen Lagen addiert, so dass alle Trauben die gleiche Vegetationszeit am Stock verbringen. Die Lese kann sich dann durchaus über drei Wochen erstrecken. Die Unterschiede der vier Weine waren wirklich offenkundig, selbst beim Verkosten nacheinander und nicht vergleichend.
Die Regeln für das Erzeugen von koscherem Wein, der im Judentum eine spirituelle Bedeutung hat, sind sehr aufwendig und teilweise historisch begründbar. So geht das Verbot von Dünger darauf zurück, dass man früher nur Tierfäkalien als Dünger hatte und sie die Gefahr mit sich brachten, dass darin enthaltene Bakterien die Menschen krank machen und die Qualität der Früchte verschlechtern. Der den Namen Peraj Ha’abib tragende Wein ist eine 1:1:1-Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Granacha und Cariñena. Er mundete hervorragend.
Mit dem letzten Wein kam ein weiterer „Exot“ ins Glas: ein Weißwein von 2014. Doch Jürgen Wagner stellte gleich klar, dass es sich um einen Blanc de Noir aus Granacha-Trauben handelte. Dieser Wein reifte acht Jahre im nicht spundvoll gehaltenen Fass, allerdings oxidationsgeschützt unter einer Florhefe – ähnlich den Fino-Sherries aus Südspanen. Mit außergewöhnlich langem Applaus wurde Jürgen Wagner für einen genussreichen und viel Neues vermittelnden Abend gedankt.
Hier geht’s zur Homepage des Weinguts.
Verkostete Weine
Cava Sense Cap Cuvée Brut Reserva | |
2023 | La Nit de les Garnatxes SAND |
2023 | La Nit de les Garnatxes CLAY |
2023 | La Nit de les Garnatxes LIMESTONE |
2023 | La Nit de les Garnatxes SLATE |
2022 | Peraj Ha‘abib |
2014 | Vimblanc 4/VB |