Kerner on the rocks

Mit einer Kerner Spätlese von 2019, die auf Eis serviert wurde, begann der Besuch von Jean Michael Buscher aus Bechtheim, der als fünfte Generation des Familienweinguts inzwischen im Unruhestand ist. Er erklärte, dass die lieblichen Weine der neueren Vergangenheit ganz andere Aromen aufweisen als die der Jahre vor etwa 1990. Der Grund ist die andere Vergärung. Früher wurden liebliche Weine entweder dadurch erzeugt, dass die Gärung gestoppt wurde, indem reichlich Schwefel zum Wein gegeben wurde, oder dadurch, dass dem durchgegorenen Wein unvergorener Traubensaft – die Süßreserve – zugesetzt wurde. Heute wird der Wein im Edelstahltank vergoren und durch die Regelung der Gärtemperatur die Aktivität der Hefe gesteuert. Bei diesem langsamen Gären wird von den Zuckern vor allem die Glucose verbraucht, während die Fructose weitgehend erhalten bleibt. Das macht nicht nur die Weine für Diabetiker verträglicher, sondern lässt die Restsüße auch fruchtiger schmecken. Dies wurde durch die Eiskühlung beim getrunkenen Kerner schön unterstrichen.

Anschließend wurden zwei Sylvaner vergleichend probiert: einer von 2017 und einer von 1992. Der 2017er – im Barrique ausgebaut und mit gut 14 Vol.-% Alkohol ein echter „Power“-Wein – war eine „Edition Udo Lindenberg“, denn dieser Sänger, der auch als Maler sehr aktiv ist, hatte für eine limitierte Zahl an Flaschen das Etikett gestaltet. Der 1992er hatte nur 12,5 Vol.-% Alkohol und existiert im Weingut vor allem noch, weil beim Verschließen ein Fehler passiert war, der dazu führte, dass der Korken im Lauf der Zeit sehr mit der Flasche verklebte, was das Öffnen zu einem Glücksspiel werden ließ. Auch beim Gildeabend stellten diese Flaschen eine Herausforderung dar. Groß war dann aber die Überraschung, dass der Wein trotz seines Trocken-Status und der geringen Säure nach 30 Jahren immer noch gut trinkbar war: Er erinnerte einfach etwas an einen trockenen Sherry.

Nun folgten als zweite Parallelprobe zwei weiße Burgunder: ein Ortswein von 2018 und einer von 2015 mit dem Namen Lammstein. Im Alkoholgehalt waren sie sehr ähnlich, aber der erste stammte aus einem Edelstahltank, während der zweite ein Experiment der sechsten Winzergeneration war und noch nie bei einer Weinprobe kredenzt worden war. Für ihn waren die Beeren einzeln gelesen worden, er stand als Maische mehrere Wochen unter seinem eigenen Druck, verbrachte alle Schritte im Holz und wurde unfiltriert abgefüllt. Daher war er deutlich trüb und bekam so keine AP-Nummer, hätte also nur als Landwein verkauft werden dürfen. Seine Aromatik war eindrucksvoll, und an der Trübe störte sich an diesem Abend niemand.

Damit war der Weißweinteil beendet, und eine Cuvée Jean B. von 2017 eröffnete den zweiten Teil des Abends. Für den Wein mit einem für Rotweine eher niedrigen Alkoholgehalt von 12,5 Vol.-% wurden Cabernet-Mitos- und Spätburgundertrauben im Verhältnis 2:3 verwendet. Jean Michael Buscher erklärte, dass der Cuvée-Namen in den 1990er Jahren für im Barrique ausgebauten Rotweine geschaffen worden sei, dass die für diese Weine notwendige lange Maischestandzeit früher nicht möglich gewesen sei, weil die Traubenkerne oft noch nicht reif und damit bitter und die Trauben nicht vollkommen gesund waren, und dass sie für diese Weine etwa die letzten 10% der Lese verwendeten.

Nach diesem kräftigen trockenen Rotwein folgte eine feinherbe Regent Spätlese, für die es folgende Begründung gab: Aus dem Basissortiment des Weinguts werden feinherbe Weine sehr nachgefragt, weshalb sie auch im höherwertigen Bereich einen solchen Weintyp haben wollten. Da fiel ihre Wahl auf die annähernd pilzresistente Neuzüchtung Regent, weil diese gesunde Trauben auch im vollreifen Zustand sichert und zugleich ideal für den feinherben Ausbau ist.

Der zum Schluss eingeschenkte Überraschungswein war die Weingutsspezialität Dornröschen. Dieser Wein ist eine liebliche Cuvée aus Dornfelder und Rosenmuskateller (das inspirierte die Namensgebung) mit rund 35 g Zucker im Liter und nur etwa 10 Vol.-% Alkohol und wird ohne Jahrgangsangabe abgefüllt. Jean Michael Buscher erzählte, dass es ihnen überraschenderweise gelungen ist, für den Namen einen Wortmarkenschutz zu bekommen, und dass die Komponente feinherber Dornfelder als separater Wein einen sehr großen Fan unter anderem in den USA hat, der ihn auf ärztliches Rezept als „Cholesterol Killer“ für sich importieren darf. Da der Dornröschen-Wein eine unerwartete Erfolgsgeschichte war, gibt es inzwischen auch sein weißes Pendant als Cuvée aus Muskateller und Gewürztraminer.

Damit endete ein durch die humorvollen Anekdoten und Gedichte, mit denen der Referent seine Präsentation auflockerte, nicht nur sehr informativer, sondern auch sehr unterhaltsamer Abend.

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