Jörg Clauer: ein Vollblutwinzer zu Gast bei der Weingilde

Das Novembertreffen der Weinheimer Weingilde widmete sich einem Weingut aus der direkten Nachbarschaft: Jörg Clauer kam aus Heidelbergs Süden, um die eigentlich für das Frühjahr 2020 geplante Weinpräsentation nachzuholen. Fünf der Weine lagerten schon seit Anfang 2020 im Gildekeller, so dass eine eher seltene Probe gereifterer Weine möglich war, und zwei Weine aus dem letzten Jahr erlaubten einen Blick auf die aktuellen Weine. Sie waren alle, wie 95% der Weine des Weinguts, trocken ausgebaut.

Der Familienbetrieb bewirtschaftet knapp 15 Hektar, wobei er bei den Erträgen pro Hektar deutlich unter den gesetzlichen Möglichkeiten bleibt, denn Qualität geht für ihn vor Quantität. Clauer schwört auf seinen Vollernter, dank dessen er seine Lese ganz flexibel an die Witterungsbedingungen anpassen kann. Als Indiz für die Klimaänderung kann man sehen, dass er in den letzten Jahren oft in der Nacht gelesen hat, um zu verhindern, dass die Gärung schon auf dem Weg in den Keller einsetzt. Dort wirkt Simona Maier als Kellermeisterin, die ihren Weg vom Mann zur Frau in den Jahren 2017–2019 öffentlich gegangen war, so dass ihre Geschichte einigen Besuchern bekannt war.

Jörg Clauer vermittelte bei seinem Besuch den Eindruck, dass er nahezu unerschöpfliche Kräfte hat, denn außer um das Weingut kümmert er sich auch noch vielfach um den Naturschutz. So ist er Kooperationspartner des Vereins Heidelberger Biotopschutz, betreut Streuobstwiesen und bewirtschaftet noch ein paar Hektar Ackerland. Verkauft werden die Weine an den Handel sowie an Privatpersonen und an die Gastronomie.

Beim ersten Wein, einem Weißburgunder Kabinett von 2020, erzählte er, dass sie diesen Basiswein gerne als leichteren Sommerwein ausbauen, was allerdings im Ausnahmejahr 2003 nicht gelang. Damals hatte er statt der üblichen 12–12,5 sagenhafte 14,8 Volumenprozent Alkohol. Und er ging auf die enorme Abhängigkeit vom Wetter ein: Während ihnen z.B. 2020 nur zwei Wochen Zeit blieben, um sauberes und nicht überreifes Lesegut zu bekommen, konnten sie sich 2021 sechs Wochen Zeit lassen. Dafür lagen 2021 die Säurewerte höher als 2020.

Der zweite Wein, ein Grauburgunder von 2017, trug den Zusatz „Alte Reben“, was bedeutet, dass die Trauben von Reben stammen, die mindestens 25 Jahre alt sind. Er war zu 70% im Holzfass und zu 30% im Stahltank ausgebaut worden und befindet sich nach Clauers Meinung aktuell ziemlich am Zenit seiner Qualitätsentwicklung. Die dritte klassische Rebsorte im Glas war ein Riesling von 2018, der von der Lage Heidelberger Sonnenseite ob der Bruck stammte, die trotz ihrer Südausrichtung wegen der kühlen Nachtwinde ideal für den Riesling ist, was der verkostete Wein auch bestätigte. Die Trauben waren nach einer Kaltmazeration von 24 Stunden mit einem Druck von nur 1,9 bar bis zu einer Ausbeute von 72% Saft ausgepresst worden, was als äußerst schonende und qualitätssichernde Behandlung zu werten ist. Clauer erwähnte außerdem, dass sie seit vier Jahren ihre Weine vegan erzeugen, was inzwischen auch auf den Flaschen steht.

Abgeschlossen wurde der Weißweinteil mit einem Sauvignon Blanc, dessen Zusatz Sternstunde – eine Bezeichnung, die sich Clauer schützen hat lassen – bedeutet, dass der Wein zu 100% im Holzfass entstanden ist. Da die Sauvignon-Blanc-Aromen zum Großteil aus der Beerenschale stammen, wurde ihm eine Kaltmazeration gegönnt. Nach dem Gären wurde die Hefe noch 4–6 Wochen immer wieder aufgerührt, und der Wein wurde erst nach einem Jahr ohne Filtration abgefüllt. Das Ergebnis war ein nur dezent durch die typischen Sauvignon-Blanc-Noten charakterisierter Wein.

Ein Rosé von 2020 bereitete danach auf die abschließenden Rotweine vor. Clauer erzählte, dass ihre Roséweine aus dem Saftabzug der besten Rotweine im Provence-Stil erzeugt werden, bis zu zwei Monaten im Holzfass und anschließend im Stahltank liegen und in wechselnden Anteilen aus den Sorten Merlot, Cabernet Sauvignon und Schwarzriesling bestehen. Der verkostete Wein überzeugte auch Rosé-Skeptiker vollkommen.

Nun folgte ein Frühburgunder von 2018. Diese Sorte hatten sie vor 25 Jahren gepflanzt, weil sie früh reift, was heute dazu führt, dass sie stark von der Kirschessigfliege befallen wird, die einen Weinberg in kurzer Zeit „zerstören“ kann. Der Wein erwies sich als reizvoller Trinkgenuss. Zum Schluss gab es eine Cuvée (Nero), die aus Cabernet Mitos und 10% Spätburgunder bestand. Zu Cabernet Mitos kann man in Wikipedia lesen: „… eine deutsche, neu gezüchtete Rotweinsorte … aus der Kreuzung der Sorten Blaufränkisch und Teinturier du Cher.“ Ihr Beerenfleisch ist rot, so dass sie sehr intensiv farbige Weine liefert. Die Cuvée lag zwei Jahre im Holzfass und dürfte nach Clauers Ansicht in 2–3 Jahren noch ausgewogener schmecken.

Damit ging ein viele interessante Einblicke in die Weinwelt bietender Abend zu Ende, und die Weingilde freut sich schon darauf, im Dezember Victoria Lergenmüller aus Burrweiler bei sich begrüßen zu dürfen, natürlich unter Beachtung der 2G-Regeln.

Hier geht’s zur Homepage des Weinguts.

Verkostete Weine

2020Weißburgunder Kabinett trocken
Heidelberger Dormenacker
  
2017Grauburgunder „Alte Reben“
Heidelberger Dormenacker – Premiumwein
  
2018Riesling Spätlese trocken
Heidelberger Sonnenseite „Ob der Bruck“
  
2017Sauvignon Blanc – Sternstunde
Heidelberger Dormenacker
  
2020Rosé „Per Me“, trocken
Qualitätswein
  
2018Frühburgunder trocken
Heidelberger Dormenacker
  
2016Nero trocken
Im Holzfass gereift

           

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