Wir haben weniger gewusst, aber es einfach gemacht

Horst Sauer – ein außergewöhnlicher Winzer

Nach 19 Jahren kam im Juli Horst Sauer aus Escherndorf am Main wieder mit einer Auswahl seiner Weine zur Weinheimer Weingilde. Die erwartungsgemäß genussreiche Verkostung seiner Weine begleitete er mit einem Exkurs in die Geschichte seines Weinguts und in die Veränderungen, die es dort seit seinem ersten Besuch gegeben hat, und hielt mit seiner Meinung zu einigen Entwicklungen nicht hinter dem Berg.

Verkostet wurden drei Weine von 2022 (Müller-Thurgau, Silvaner, Blauer Silvaner), drei von 2021 (Riesling GG, Silvaner „Sehnsucht“, Bacchus Spätlese) und einer von 2019 (ein maischevergorener Silvaner). Als Überraschung hatte Horst Sauer noch eine Silvaner-Trockenbeerenauslese von 2021 für den Abendabschluss mitgebracht.

Mit dem Satz in der Überschrift beschrieb er den seiner Meinung nach größten Unterschied zwischen seiner Winzergeneration und vielen der heutigen Jungwinzer, wobei er auch betonte, dass die Herausforderungen, denen beispielsweise seine Tochter gegenübersteht, die seit 2004 im Weingut mitarbeitet und es seit 2019 offiziell leitet, weit vielfältiger seien, als sie es früher waren.

Zum Müller-Thurgau hieß es, sie hätten eine Sondergenehmigung dafür, diese Rebsorte für Weine zu nutzen, die als VDP.Erste Lage bezeichnet werden dürfen. Der Wein stammte von 1978 gepflanzten Reben und widersprach allen Vorurteilen gegenüber der Rebsorte. Der Silvaner ist die für Franken stehende Top-Rebsorte – anderswo ist das meist der Riesling–, weshalb er auch bei Sauers zentral ist. Im Hinblick auf den Klimawandel ist der Silvaner zudem im Vorteil, weil er mit den Folgen viel besser klarkommt als beispielsweise der Riesling. Ihren Rebspiegel beschrieb Sauer so: 50% Silvaner, 22% Riesling, 10% Rotwein (vor allem Spätburgunder).

Zur Entwicklung des Weinguts erfuhren die Besucher, dass Horst Sauers Eltern bis zum Ende der 1960er Jahre einen klassischen Mischbetrieb hatten, sich dann auf den Weinanbau beschränkten, die Trauben – wie nahezu 100% der Winzer – aber an die Genossenschaft ablieferten. Aus den 1,5 Hektar sind inzwischen 21 Hektar geworden – davon 50% Steillagen, die gemeinsam mit elf festangestellten Mitarbeitern bewirtschaftet werden. Mit Wehmut in der Stimme meinte Sauer, dass es wohl ein großes Steillagensterben geben werde, denn es werde immer schwieriger, Menschen zu finden – auch im Ausland –, die bereit sind, die anstrengende Arbeit zuverlässig und qualitätsorientiert zu machen.

Die „alte Rebsorte“ Blaue Silvaner braucht mindestens zwei Lesedurchgänge, um alle Trauben im optimalen Reifegrad zu erwischen, durfte eine Maischegärung durchlaufen und ist nach Sauers Meinung als Essensbegleiter noch flexibler als der übliche Silvaner, weil sie mehr Schmelz hat. Beim Riesling GG von 2021 gab es eine Erklärung zur Lagenbezeichnung: „Am Lumpen 1655“ soll an das Wiederzusammenlegen von winzigen Parzellen erinnern, die durch das Realteilungs-Erbrecht entstanden waren. Der Wein, der ebenfalls von 1978 gesetzten Rebstöcken stammte, wurde spontanvergoren. Hier antwortete Sauer auf die Frage nach dem Einsatz von Reinzuchthefen, dass sie ihre Guts- und Ortsweine vollständig mit Reinzuchthefen erzeugen und dass es bei den Erste-Lage-Weinen die Hälfte ist.

Keine Qualitätswein-Kennzeichnung wurde für den maischevergorenen Silvaner beantragt, weil er durch seine Machart die Typkriterien nicht erfüllte, aber nach Sauers Aussage für junge Sommeliers besonders interessant ist. Diese Generation kann sich für anders gemachte Weine begeistern und ist daher gerne bereit, solche Weine ihren Restaurantgästen zu empfehlen. Für den Silvaner mit dem Namen Sehnsucht ist immer noch Horst Sauer allein zuständig, denn dieser Wein hat für ihn eine große emotionale Bedeutung. Überhaupt haben er und seine Tochter Sandra die Zuständigkeiten für die Rebsorten geteilt, was der familiären Harmonie zugutekommt. Um die „Sehnsucht“ nicht zu voluminös, sondern eher cremig zu machen, wird Spessartholz verwendet, denn das liefert eine andere Aromatik als Holz aus wärmeren Gegenden, und es werden nur etwa 20% in neuen Barrique-Fässern ausgebaut.

Dass sich am Klima etwas ändert, ist beispielsweise ganz deutlich daran abzulesen, dass die Lese heute etwa 1½ Monate früher beginnt als noch in den 1990er Jahren und dass die Wasserknappheit eine gezielte, sparsame Bewässerung verlangt (sie haben 70% ihrer Anlagen mit einer Tröpfchenbewässerung ausgestattet, die jedoch eigentlich nur bei Neuanlagen wichtig ist). Sauer wurde auch nach den Vertriebswegen gefragt und sagte daraufhin, dass sie vier Standbeine für ihren Vertrieb hätten, die für sie wichtig seien: Endverbraucher, Fachhandel, Gastronomie und Export, dass sie sich aber auf wenige Länder beschränken – vor allem Skandinavien und die direkten Nachbarn Deutschlands, daneben aber auch Fernost –, denn man brauche gute Netzwerke, die sich bei regionaler Beschränkung leichter aufbauen ließen. Wesentlicher Abnehmer ist auch die Gastronomie, und hier gibt es einige Restaurants, für die Spezialcuvées abgefüllt werden, die besonders gut zur Küche des Hauses passen.

Den Abschluss des Abends bildeten zwei nichttrockene Weine. Zum ersten, einer Bacchus-Auslese sagte Sauer, dass Bacchus und Scheurebe ihnen nur süß ausgebaut werden, wobei der Bacchus oft in Cuvées geht, die Großveranstalter ausschenken. Sie sind säurearm und werden deutsch-, nicht fränkisch-trocken ausgebaut (d.h. sie haben einen höheren Restzuckergehalt). Zum zweiten, dem Überraschungswein, hieß es, Trockenbeerenauslesen und ähnliche Spezialitäten könne man nur gut machen, wenn man das jedes Jahr tue, und nur so gewinne man auch Kunden für diese Weine, für die sie ausschließlich Riesling und Silvaner verwenden.

Mit der Schilderung eines Wettbewerbs zwischen Vater und Tochter vermittelte Horst Sauer ein lebendiges Bild des Familienbetriebs: Als er seine Tochter nach einem halben Jahr in Australien am Flughafen abholte, sagte sie als Erstes: „Unsere Spätburgunderweine sind „Durchschnitt“. Zu Hause einigten sie sich dann darauf, einen Weinberg von 0,5 Hektar aufzuteilen. Die eine Hälfte bewirtschaftete der Vater, die andere die Tochter. Schon nach wenigen Wochen war dem Vater klar, dass er hier nicht als Sieger vom Platz gehen werde, und so kam es auch. Daraufhin „musste“ sich die Tochter im nächsten Jahr um die ganzen 0,5 Hektar kümmern.

Mit großem Applaus wurde Horst Sauer verabschiedet. Der nächste Gildeabend am 5. September wird wiederentdeckten Rebsorten gewidmet sein.

Hier geht’s zur Homepage des Weinguts.

Verkostete Weine

2022Müller-Thurgau trocken
Escherndorfer Fürstenberg
VDP.Erste Lage
2022Silvaner tocken
Escherndorfer Lump   VDP.Erste Lage
2022Blauer Silvaner
Escherndorfer Fürstenberg
VDP.Erste Lage
2021Riesling GG 
Am Lumpen 1655    VDP.Grosse Lage
2019Silvaner trocken
Maischegärung
2021Silvaner trocken
Sehnsucht
2021Bacchus Spätlese
Escherndorf     VDP.Ortswein
2021Silvaner Trockenbeerenauslese
Escherndorfer Lump